Wandern im Herbst – Volks- und Trendsport

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Richtig planen - Unterschiedliche Touren und Wanderarten


Wäre der wanderlustige Müller aus dem alten Volkslied heute in Deutschland unterwegs, käme er ganz schön ins Staunen. Statt andere Handwerksburschen auf der Walz würde er überall Menschen treffen, die aus purer Bewegungslust und Freude an der Natur die heimischen Gefilde zu Fuß durchstreifen. Übrigens auch die Landschaften der europäischen Nachbarländer. Seit die entschleunigte Fortbewegung auf Schusters Rappen ihr „Opa-Image“ abgestreift und sich zum Volks- und Trendsport gemausert hat, kennt die deutsche Wanderlust nämlich keine Grenzen mehr.

Rund 34 Millionen Bundesbürger haben die ursprünglichste Bewegungsart des Menschen für sich entdeckt, jeder zweite schnürt in Freizeit und Urlaub regelmäßig die Wanderstiefel. Damit zählt Wandern zu den beliebtesten Outdooraktivitäten der Deutschen – und hat sich ersichtlich verjüngt. Inzwischen kommt bei uns jeder dritte Wanderfan aus der Altersgruppe der zwischen 20- und 40-Jährigen. Doch ob Jung oder Alt, ob allein, zu zweit, mit der Familie oder einer Gruppe auf Tour: Eine Jahreszeit lieben Wanderfreunde besonders – den Herbst.

Warum, liegt auf der Hand. Zum einen wandert es sich bei gemäßigten Temperaturen angenehmer als bei schweißtreibenden Hitzegraden. Außerdem erscheinen in den kleineren Auszeiten nach dem „großen Urlaub“ näher gelegene Feriengebiete, wo man sich vor dem Winter noch einmal richtig auswandern kann, doppelt verlockend. Und vor allem belohnt die Natur alle, die sich jetzt aufmachen, um Täler und Höhen Schritt für Schritt zu erkunden, mit einem wahren Fest für die Sinne: Erste zarte Morgennebel verzaubern die Landschaft wie Feengespinst. Das Laub glüht in Gold- und Rottönen und unter den Füßen rascheln bereits abgefallene Blätter, während Waldpilze, Nussbäume, Streuobstwiesen oder Rebgärten am Weg von einem Erntesegen künden, der nicht nur den Rucksackproviant mit frischem Obst bereichert. Auch bei der Einkehr in gemütliche Wirtschaften oder Hütten warten saisonale Köstlichkeiten, von Pilz- und Wildgerichten über Nuss- und Maronen-, Apfel-, Birnen- , Trauben- und Zwetschgenleckereien bis zum prickelnden Federweißen, der bis ungefähr Ende Oktober in den Weinbaugebieten ausgeschenkt wird.

Viel Natur und interessante Museen: Die Wildeshauser Geest mit ihrer abwechslungsreichen, leicht welligen Landschaft ist wie geschaffen für erlebnisreiche Wanderferien. (Foto: djd/Naturpark Wildeshauser Geest)

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Ein voller Bauch…

Hemmungslos draufloszuschlemmen, weil angefutterte Kalorien „ja wieder abgelaufen“ werden, wäre allerdings unklug. Ein zu voller Bauch schadet der Kondition und kann sogar den vielen positiven Effekten, die das Wandern nachweislich auf Körper und Seele hat, entgegenwirken. Denn bei aller Freude an der Bewegung in freier Natur ist und bleibt Wandern ein Sport. Und das bedeutet, dass einiges zu beachten ist, damit die Wanderlust nicht in Frust umschlägt oder zum Risiko wird. Zum A und O der Wander-Regeln gehört dabei neben der Ausrüstung – festen, gut sitzenden Wanderschuhen, funktionaler wetterfester Kleidung und, bei Bedarf, einem Teleskopstock – auch die richtige Ernährung. Experten raten, statt zucker- und fettreicher Snacks Obst und Nahrungsmittel, die nachhaltig mit Energie versorgen, in den Rucksack zu packen.

Ebenso wichtig: Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten. Alkohol und zuckerreiche Softdrinks sind keine geeigneten Durstlöscher. Auch Vorbereitung und Planung haben einen hohen Stellenwert. Ein typischer Anfängerfehler ist es zum Beispiel, quasi vom Bürostuhl oder der Couch aus loszumarschieren, natürlich sofort über weite Distanzen – und ohne daran zu denken, dass das den untrainierte Körper völlig überfordert. Wie man es richtig macht, zeigen erfahrene Wanderer wie Karl Schneider. Der Ehrenvorsitzende des Deutschen Wanderverbands hält sich rund ums Jahr im Fitnessstudio, mit Spaziergängen, Rad- und Skifahren wanderfit.

Unterschiedliche Touren und Wanderarten

(dtd). Zur Planung einer Wanderung gehört vor allem, sich über seine Wunschstrecken kundig zu machen. Hilfe bieten hier etwa die Wander- und Sportvereine des Wohnorts sowie die Internetseiten des Deutschen Volkssportvereins und des Deutschen Wanderbandes, die die schönsten Wander- und Rundwanderwege Deutschlands vorstellen und über Wandertage, Volkswanderungen sowie andere Veranstaltungen informieren. Per Vorab-Bestellung oder direkt bei der Tourist Information des Urlaubsorts erhält man Wanderkarten der einzelnen Ferienregionen. Sie enthalten in der Regel ausgewählte Tourenvorschläge mit detaillierten Angaben zu Dauer und Streckenverlauf der Wanderung inklusive Höhenunterschieden, zu Sehenswürdigkeiten, Einkehr- und, so vorhanden, Rückfahrmöglichkeiten mit Bus oder Bahn. Apropos Höhenunterschiede: Da Bergstrecken anstrengen können und ihre Tücken haben – etwa das oft schnell umschlagende Wetter -, empfiehlt es sich gerade für Einsteiger und Ältere, die länger pausiert haben, zunächst im Flachland zu wandern. Wie reizvoll die Landschaften der Ebenen sind, zeigen nördliche „Sahnestückchen“ wie das Wattenmeer oder der Naturpark Wildeshauser Geest.

Wer möchte und gesundheitlich fit ist, kann sich dann allmählich nach oben wandern, über die Hügel und Höhen der Mittelgebirge und des Alpenvorlands bis in Gebirgszonen. Tipp: In der Gruppe und mit bergerfahrenen Wanderführern läuft man dort immer am sichersten.

Abgesehen von solchen Grundregeln eröffnen sich modernen Wanderfans nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, um im Inland – oder auch benachbarten Ländern – ihrem Hobby zu frönen. Denn ebenso vielfältig wie die Wanderparadiese und -angebote zwischen Küste und bayerischen Alpen sind die Wanderarten. Egal, ob man das als „Gehen in einer Landschaft“, „Mindestdauer eine Stunde“, definierte traditionelle Wandern bevorzugt, Tages- oder Weitwanderungen plant, auf anspruchsvollen Höhenstrecken die sportliche Herausforderung sucht oder beim Trekking in touristisch noch unerschlossenen Weltgegenden unberührte Natur erleben will: Alles ist möglich – selbst die ultimative Naturnähe beim Nacktwandern. Freikörperkulturanhänger wählen dafür übrigens wenig bevölkerte Strecken, um Missverständnissen aus dem Weg zu gehen.

Ebenfalls befreiend: das Barfußwandern, bei dem schuh- und zivilisationsmüde Füße wieder Bodenkontakt bekommen. Interessierte können die gesunde Fortbewegungsart auf speziell ausgelegten Strecken ausprobieren, über die unter anderem das Internet informiert. Eine andere Leichtigkeit des Wanderns vermittelt das in verschiedenen Ferienregionen buchbare „Wandern ohne Gepäck“. Während die Gäste unbeschwert die Tagesetappen des Wanderurlaubs genießen, wird ihr Gepäck von Unterkunft zu Unterkunft transportiert. Zum Hit für Familienausflüge mit Kids hat sich das „Geocaching“ entwickelt, eine Art elektronischer Schnitzeljagd in der Natur. Nachtwanderungen sind beim Nachwuchs wegen möglicher „Grusel“-Aspekte ebenfalls beliebt; Erwachsene schätzen sie dagegen als Gelegenheit zur außergewöhnlichen Naturbegegnung oder spirituellen Erfahrungen.

Noch deutlicher wird der Weg beim Pilgern zum Ziel. Wer sich auf diese uralte Reise zu sich selbst und Gott begeben möchte, kann beispielsweise berühmten Pilgerpfaden wie dem Jakobsweg auf einzelnen deutschen Teilabschnitten oder quer durch Europa folgen. Oder wie wäre es mit Zeitreisen in die Geschichte, Kultur oder Sagenwelt der Urlaubsregion? Zur Infrastruktur vieler Wandergebiete gehören heute neben gut ausgebauten Streckennetzen auch Themen-Wege, die auf unterhaltsame Art den Wissenshorizont erweitern. Durch die geschichtsträchtigen Landschaften an Kocher und Jagst führt sogar ein eigener „Kulturwanderweg“. Und das ist noch nicht alles: Die Skala der Wander-Extras reicht von Weinberg-Wanderungen und kulinarischen Specials über Wald- und Naturlehrpfade bis zu den luftigen Höhen der Baumwipfelpfade, sodass sich jeder seine individuellen Wanderträume erfüllen kann, ganz nach Geschmack und Können.

Ob sonntags oder in die Ferne – Wie das Wandern in Mode kam

(dtd). Pilger, Mönche, Handwerksburschen und Studenten, Gaukler, Spielleute, Hausierer, Bäuerinnen und Bauern auf dem Weg zum Markt: Jahrhundertelang waren in Deutschland und Europa zahllose Menschen zu Fuß unterwegs. Aber nicht zu ihrem Vergnügen, sondern weil die Umstände es erforderten. Das änderte sich erst mit dem neuen Naturgefühl des 18. Jahrhunderts. Inspiriert vom Gedankengut der Aufklärung und „zurück zur Natur“-Bestsellern wie Rousseaus „Nouvelle Héloïse“, begann sich das gebildete Bürgertum für eine neuartige Fortbewegungsart zu erwärmen: das sogenannte „zweckfreie“ Wandern in der Natur.

Dass sich manche aufklärerische Wanderpioniere fast mehr für die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse als für die Landschaften der durchstreiften Gebiete interessierten, entspricht nicht unserem Bild vom Wandern. Kein Wunder, wir sind späte Nachfahren der nächsten Wander-Epoche – der Romantik. Ganz aufs Naturerlebnis fokussiert, empfanden die Künstler der Früh- und Spätromantik die Landschaft als Spiegel der Seele und prägten so das Naturverständnis der folgenden Generationen bis ins 20. Jahrhundert. Zudem entdeckten Romantiker wie die Dichter Novalis, Wackenroder und Tieck oder der Maler Caspar David Friedrich erstmals einige der schönsten Gegenden Deutschlands fürs Wandern – darunter die Fränkische sowie die Sächsische Schweiz, den Harz und die Insel Rügen. Auch viele unserer bekanntesten Wanderlieder stammen aus der Feder oder den Liedersammlungen romantischer Dichter.

Obwohl das Wandern dank solcher Einflüsse in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in bürgerlichen Kreisen immer populärer wurde und erste Ansätze des Wandertourismus keimten, war einiges anders als heute. Mehrtages- und Fernwanderungen etwa blieben meist jüngeren, unverheirateten Männern vorbehalten. Familienväter mit Anhang ergingen sich bevorzugt sonn- und feiertags in der Natur. Führte der Weg mal zu luftigen Aussichtspunkten, standen Träger mit Sänften zur Verfügung: ein Angebot, das vor allem die Damen dankbar nutzten. Ein spezielles Wanderoutfit gab es nämlich nicht und die damals üblichen bodenlangen Röcke, stoffreichen bis einengenden Dessous und modischen Schühchen waren das Gegenteil von wandertauglich. Daran sollte sich übrigens lange nichts ändern. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen allmählich praktischere Kleidungsstücke auf, die dem schönen Geschlecht sportliche Aktivitäten erleichterten. Doch nicht einmal bei den 1901 aus der Jugendbewegung hervorgegangenen „Wandervögeln“ ging die Auflehnung gegen zeittypische Konventionen so weit, dass weibliche Mitglieder in Hosen „aus grauer Städte Mauern“ zogen. Und selbst in den 1950er Jahren trugen viele Frauen beim Wandern noch züchtig Rock oder Dirndlkleid.

Dafür hatte sich für alle Wanderlustigen bereits seit Jahrzehnten Grundlegendes verbessert: Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründeten Wander- und Gebirgsvereine machten sich nicht nur um die Pflege der heimischen Landschaften verdient. Sie erschlossen die Natur auch für den Wandertourismus, zum Beispiel durch die Anlage und Instandhaltung von Wanderwegen, die Errichtung von Wegweisern, Aussichtstürmen, Vereinshäusern und Schutzhütten – und nicht zuletzt durch Wanderkarten, die über all das informieren. Wie wichtig diese Arbeit nach wie vor ist, zeigt der Deutsche Wanderverband, die 1883 gegründete Dachorganisation der deutschen Wander- und Gebirgsvereine. Seine Mitgliedsverbände betreuen heute ein rund 200.000 km umfassendes Streckennetz – natürlich ehrenamtlich.

Dem Stress davonlaufen -  Tipps fürs gesunde Wandervergnügen

(dtd). Wandern bedeutet dem Stress davonzulaufen: Die Alltagssorgen fallen Schritt für Schritt von einem ab, Kopf und Blick werden frei für die Landschaft und die kleinen Wunder am Weg, etwa besondere Pflanzen und Tiere. Auch der gesellige Aspekt des Wanderns ist Balsam für die Seele – und der Körper profitiert ebenfalls. Regelmäßig auf Schusters Rappen unterwegs zu sein, gilt als ideales Ausdauertraining für Herz, Kreislauf und Muskulatur.

Unbeschwert genießt man das gesunde Vergnügen allerdings nur, solange es den Füßen gut geht. Bilden sich Blasen, wird jeder Schritt zur Qual. Vorbeugen lässt sich mit guten, perfekt sitzenden Wanderschuhen, die bereits eingelaufen sind, wenn es auf Tour geht. Zusätzlichen Schutz bieten spezielle Wandersocken und fußfreundliche Wanderpausen ohne Schuhe und Strümpfe. Trotzdem ist es ratsam, Pflaster und Salbe im Rucksack zu haben und druckempfindliche Fußpartien schon vorher damit abzupolstern.

Stichwort Rucksack: Leichtigkeit ist das A und O bei diesem Basis-Utensil. Das heißt aber nicht, am Inhalt zu sparen. Unbedingt einpacken: Proviant – Obst, vollwertige Nahrungsmittel wie etwa Vollkornbrot sowie zucker- und alkoholfreie Durstlöscher –, wetterfeste Funktionskleidung und die Wanderapotheke mit Pflaster, Salben und Co., Erste-Hilfe-Set und, so erforderlich, den täglichen Medikamenten. Auch die Wanderkarte gehört zur bewährten Standardausrüstung und sollte ebenso griffbereit sein wie das Handy, das heute für viele ein unverzichtbarer Begleiter ist.

Da Wandern in den Bergen Übung und Kondition erfordert, wird Anfängern empfohlen, sich zunächst im Flachland einzuwandern. Ein aufs Bergwandern abgestimmtes Konditionstraining hilft in Form zu kommen oder zu bleiben. Ebenfalls nützlich: ein Teleskopstock, der die Gelenke besonders bergab entlastet. Und wer auf Nummer sicher gehen will, wandert in gebirgigem Gelände zu zweit oder in Gruppen mit kundiger Führung.



11.08.2010 - Suchwörter: , ,
 Quelle: dtd



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