Die Dichterin Ricarda Huch (1864-1947) schwärmte: “Natur hat diese Stadt gewiegt – Kunst hat sie gebildet.” Gottfried Knapp schrieb 2004 in der Süddeutschen Zeitung, der “Rundumblick von der Dachterrasse des Sudhauses über die zu Füßen liegende Altstadt von Schwäbisch Hall übertrifft fast alles, was Deutschland an Stadt- und Landschaftsbildern zu bieten hat”. Den Vogel der Lobeshymnen schoss allerdings ein englischer Filmmagnat ab, der mit seinem Rolls-Royce nach Schwäbisch Hall kam, um dort eine Kaffeepause einzulegen. Er war so angetan vom Charme der mittelalterlichen Salzsieder- und Reichsstadt, dass aus der Stippvisite spontan ein achttägiger Urlaub wurde. Beim Abschied brachte der frischgebackene Fan seine Eindrücke mit britischem Understatement auf den Punkt: “So very nice and not expensive.”
Mittelalter mit Zukunft
Womit er Recht hat. Mit ihren stattlichen Fachwerkhäusern und beeindruckenden Kirchen, überdachten Holzbrücken, engen Gassen und einem Marktplatz, der verschiedene Epochenbaustile zu einem einzigartigen Ensemble vereint, zählt die mittelalterliche Innenstadt der alten Salzhochburg zu den schönsten Süddeutschlands. Trotzdem wirkt das Bilderbuchambiente weder museal noch ist es vom disneylandähnlichen Image überzuckert, das einem manch anderen historischen Touristenmagneten verleidet. Schwäbisch Hall bezaubert vor allem durch seine selbstverständliche Verbindung von Vergangenheit, lebendiger Urbanität und Weltoffenheit. Ergebnis der geglückten Mischung ist eine Atmosphäre, in der sich nicht nur die Studenten des örtlichen Goethe-Instituts wohlfühlen. “Very nice” stimmt also, und das zweite Lob hat ebenfalls Hand und Fuß: Im Gegensatz zu Metropolen, wo alles “mega” ist, einschließlich der Urlaubskosten, tragen in der kleinen, feinen Kulturmetropole Hohenlohes faire Preise zur Erholung bei. Schnupperaufenthalte etwa gibt es bereits ab 52 Euro, junge Leute können in der zentral gelegenen Jugendherberge oder dem Hostel auf dem Aussichtsberg Einkorn günstig logieren. Und, fast unglaublich, aber wahr: Der Eintritt in die weit über die Landesgrenzen hinaus als Mekka der Moderne und Gegenwartskunst bekannten Kunsthalle Würth ist frei.
Bekannte Festspielstadt
Ebenso interessant wie die spektakulären Wechselausstellungen des modernen Kunsttempels sind die Entdeckungsreisen durch über 20 Jahrhunderte Geschichte, zu denen die Museen und Sehenswürdigkeiten der Stadt einladen. Auf Shakespearefans wartet beim Stadtrundgang eine Überraschung: Der hölzerne Rundbau des Haller Globe Theaters ist dem Londoner Globe Theatre der Shakespearezeit nachempfunden.
Die Hommage an den großen englischen Dramatiker beschränkt sich nicht auf die Architektur, hier wird tatsächlich Theater gespielt – natürlich auch Stücke von Shakespeare. Sie stehen regelmäßig auf dem Spielplan der bekannten Freilicht-Festspiele, die jeden Sommer Tausende von Besuchern anziehen. Kein Wunder bei einem Programm, das Klassisches und Experimentelles, Witziges und Ernstes, aufwendige Musikproduktionen für die Großen und märchenhafte Unterhaltung für kleine Zuschauer zu bieten hat. Auch die Aufführungsorte – die große Freitreppe der Kirche St. Michael und das Globe Theater – verleihen dem Ereignis besonderen Reiz.
Wein, Blooz und mehr
Musikalisch punktet die Stadt mit einem Konzertangebot, das von Kirchenmusik bis zu Jazz und Rock reicht. Dass die Schwäbisch Haller gerne feiern, zeigt ein bunter, gut besuchter Festreigen. Je nach Geschmack und Saison kann man etwa beim traditionellen Salzsiederfest mit Historienspektakel mitfeiern, beim Sommernachtsfest in einem Lichtermeer baden oder sich vom Weihnachtsmarkt verzaubern lassen. Bevor sich adventlicher Glanz in der Altstadt verbreitet, locken aber erst einmal Events für Genießer. Gute Tröpfle aus heimischem Anbau gehören zu den Höhepunkten des beliebten “Haller Herbst”, während sich beim Backofenfest im Hohenloher Freilandmuseum Wackershofen alles um den Blooz dreht, einen herzhaften Brotkuchen frisch aus dem Ofen. An regionalen Spezialitäten herrscht kein Mangel – zum Glück auch nicht an Gelegenheiten, angefutterte Kalorien wieder abzuarbeiten. Für den Ausflug zum Backofenfest den ausgeschilderten Fußweg von Schwäbisch Hall aus zu nutzen, ist ein guter Anfang. Wer noch mehr Bewegung in den Urlaub bringen will, kann auf reizvollen Strecken zu Rad- und Wandertouren durch die herrlichen Landschaften Hohenlohes starten. Nach so viel neuen Eindrücken tut es dann doppelt gut, im Haller Solebad zu relaxen und in wohltuenden Salzfluten Energie zu tanken – für den nächsten erlebnisreichen Ferientag.
Infokasten: Was man in Schwäbisch Hall sehen sollte:
- Großcomburg: ehemaliges Benediktinerkloster mit Wehrgang (mehr unter www.schloesser-magazin.de)
- Hällisch-Fränkisches Museum: dokumentiert die Reichsstadtgeschichte in sechs historischen Gebäuden, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Eintritt: 2,50 Euro, ermäßigt zwei Euro
- Rathaus: barockes Schmuckstück am Marktplatz
- Pfarrkirche St. Michael: romanischer Turm, gotisches Langhaus und sehenswerte Altarbilder, geöffnet 1. März bis 14. November, Montag 12 bis 17 Uhr, Dienstag bis Freitag 10 bis 17 Uhr
- Kunsthalle Würth: Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, geöffnet Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, Eintritt frei
- Johanniterhalle: spätmittelalterliche Kunst aus der Sammlung Würth, geöffnet Dienstag bis Sonntag 11 bis 17 Uhr, Eintritt frei
- Freilicht-Festspiele: 11. Juni bis 27. August 2010, Kartentelefon 0791-751-600, frühzeitige Buchung wegen des Besucherandrangs empfehlenswert (www.freilichtspiele-hall.de)
- Hohenloher Freilandmuseum Wackershofen: Museumsdorf mit 64 Gebäuden aus vier Jahrhunderten, am 25. und 26. September Backofenfest (www.wackershofen.de)
Weitere Informationen: Tourist Information, Am Markt 9,74523 Schwäbisch Hall
E-Mail: ebtouristik.service@schwaebischhall.de oder im Internet (www.schwaebischhall.de).
10.03.2010 - Suchwörter: Erholung, Kulterstadt, Schwäbisch Hall, Städtereisen