“Na, und wohin geht’s im Urlaub?“ Ausgerechnet im Reiseweltmeister-Land Deutschland lautet die Antwort auf die sommerliche Standardfrage immer öfter “Nirgendwohin, wir bleiben zuhause.“ Untersuchungen wie die 26. BAT-Tourismusanalyse bestätigen den Trend und prognostizieren, dass 2010 rund die Hälfte der Deutschen nicht verreisen wird.
Finanzielle Aspekte spielen hier zwar eine Rolle, etwa weil teure Anschaffungen anstehen oder man für den nächsten größeren Urlaub zurücklegt. Doch es gibt noch mehr – und weit bessere – Gründe für die Ferien daheim: allen voran den Erholungswert. Wer in Balkonien oder Bad Meingarten Urlaub macht, spart – und erspart sich gleichzeitig den leidigen Reisestress, vom Vorbereitungsmarathon über strapaziöse An- und Rückfahrten bzw. -flüge bis zum Jetlag. Ganz zu schweigen von Erholungskillern á la Montezumas Rache, vor denen selbst versierte Globetrotter nicht sicher sind.
Apropos: Das Gefühl, nach jahrzehntelanger Reiseaktivität langsam genug von der Welt gesehen zu haben, kann Ferien zuhause als besonders reizvolle Alternative erscheinen lassen. Überhaupt hat Daheimbleiben nur dann einen Beigeschmack von Verzicht, wenn man die Auszeit mit hausgemachtem Frust über vielleicht Entgangenes vergeudet. Dagegen hilft ein simples Rezept: Am ersten Urlaubstag oder, noch besser, am Abend zuvor, den berühmten Hebel im Kopf umlegen, aufatmen, sich sagen: “Jetzt lasse ich es mir richtig gut gehen!“ – schon hebt sich die Laune und gibt den Blick auf nahezu unbegrenzte Erholungs- und Erlebnismöglichkeiten frei. Denn bei Licht betrachtet entpuppt sich Balkonien als ein Überraschungspaket, in dem die verschiedensten Urlaubsarten versteckt sind. Ob Aktiv- , Kreativ-, Kultur-, Wellness- oder Genießerurlaub, ob Singles, Paare, Familien, Jung oder Alt, für jeden ist etwas drin. Und das Beste: Man kann nicht nur nach persönlichen Wünschen und Bedürfnissen auswählen, sondern sich sogar sein individuelles Urlaubsmenue à la carte gestalten: ganz nach Lust und Laune, von allem, was Spaß macht, etwas.
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Wer mit dieser positiven Einstellung rangeht, merkt schnell, wie viel Wohlfühl- und Freizeitchancen die heimischen Gefilde bieten. Angefangen mit den vier Wänden: Selbst das komfortabelste Hotel kann es nicht mit dem eigenen Heim aufnehmen, wo alles dem persönlichem Geschmack entspricht. Urlaub zuhause ist ideal, um diese Vorzüge bewusst auszukosten und sich, vor allem bei schlechtem Wetter, zu gönnen, wofür sonst kaum Zeit ist – vom ausgedehnten Frühstück und Mittagsschlaf über Hobbys, Spielen mit den Kindern oder Enkeln, Musikhören und Schmökern auf der Couch bis zum genüsslichen Duftbad am Abend oder einem kompletten Wellness- und Beauty-Tag daheim. Fällt einem dagegen auf, wie langweilig die Tapeten geworden sind, dass Reparaturen anstehen und manche Räume nach “Aufmöbelung“ schreien: Der Sommerurlaub bietet genug freie Zeit am Stück, um das Ambiente auf Vordermann zu bringen und mit trendigen Do-it-yourself-Ideen aufzupeppen!
Doch was wäre Balkonien ohne Balkon, Garten oder Terrasse: Umgeben von sommerlicher Blütenpracht, laden die häuslichen Paradiese zum Relaxen im Laub- oder Markise-Schatten ein – und zu mehr: Für den Nachwuchs etwa lassen sie sich mit wenig Aufwand in einen Ferien- und Abenteuerspielplatz verwandeln. Dazu genügt schon ein aufblasbares Plantschbecken im Garten oder, für größere Kinder, grünes Licht fürs draußen Zelten einschließlich Übernachtung – am besten mit Freunden. Orte der Geselligkeit können Balkon,Terrasse und Garten auch für Erwachsene sein. Warum also nicht öfters Freunde, Verwandte und Nachbarn einladen – zu Grillfest oder Sommerparty, Cocktail oder Brunch im Freien? Wer keine Grün-Oase besitzt, könnte stattdessen einen Picknick-Ausflug arrangieren – aber möglichst nicht bei extremer Hitze! Dann passt man sich besser dem südlichen Lebensrhythmus an, nutzt die Mittags- und Nachmittagstunden zur Siesta und belohnt sich mit einem späten Spaziergang, einer Nachtwanderung oder einem Abendbummel durch die City, wo belebte Straßencafés mediterranes Flair verbreiten.
Ist es dagegen angenehm warm, bringen “Tagesreisen“ durch die eigene Stadt Abwechslung in die Ferien. Sobald man nicht alltagsblind vorbeihastet, sondern mit Muse und Touristen-Blick durch die Straßen schlendert, findet sich dort erstaunlich viel zum Schauen und Verweilen: Kirchen, historische Bürgerhäuser oder moderne Architektur, idyllische Winkel abseits der Shoppingmeilen, Schlösser, Museen, Kunstgalerien und vieles mehr. So informativ wie unterhaltsam sind die vielerorts angebotenen Stadtrundgänge und Themenführungen. Wann sie stattfinden, ist aus der Tageszeitung oder dem Internet zu erfahren – wo es übrigens auch Tipps zu speziellen Ferien-Freizeitangeboten für Kinder sowie aktuelle Veranstaltungshinweise zu Konzerten, Freilufttheater, Festen oder Sommerprogrammen vor Ort und in der nahen Umgebung gibt. Wer in größeren Städten wohnt, kann zudem Neuland entdecken, wo es selten vermutet wird: in anderen Stadtvierteln. Da man oft nur das eigene kennt, können solche Expeditionen richtig spannend sein. Zumal sich so auch der kulinarische Horizont um das eine oder andere nette Lokal und Café erweitert. Denn zum Essen einkehren, sich einen Espresso, ein Eis oder einen Biergartenbesuch gönnen, krönt den “Touristentag“.
Falls am Rand der Innenstadt ein Landesgartenschaugelände, ein Botanischer Garten oder Zoo vorhanden ist, lässt sich die Stadttour zur Rundreise durch heimische und exotische Tier- und Pflanzenwelten ausweiten: Ein Programm, das auch bei Kindern ankommt und sich gut für Familien-Unternehmungen eignet. Und sollte der Wohnort an einem Fluss oder See mit Personenschifffahrt liegen: Ausflüge auf dem Wasser sind bei Kids ein Hit – was nicht heißt, dass sie solo oder zu zweit keinen Spaß machen! Je nach Wunsch erholsame oder aktive Stunden bieten örtliche Naherholungs- und Freizeitareale, deren Skala von Grünanlagen, Parks und Uferpromenaden über Rundwander- oder Radwege und Aussichtpunkte mit Ausflugslokal bis zu Sportgeländen und Schwimmbädern reicht.
Wasserratten, denen das Schwimmbad jetzt zu überfüllt ist, haben es in der Regel nicht weit zu einem ruhigeren Baggersee, Weiher oder anderen Gewässern im Grünen, wo man baden oder einfach entspannen und die Beine ins Wasser baumeln lassen kann. Stichwort nahes Umland: Fremde Reiseländer kennt man oft besser als entdeckenswerte Naturschönheiten und Ortschaften rings um den Wohnort – ein Versäumnis, dem sich jetzt mit Ausflügen ins Blaue oder geplanten Touren abhelfen lässt. Da solche Nahziele gut zu erwandern und zu erradeln sind, kommen auch Bewegungshungrige auf ihre Kosten. Wo es in der weiteren Umgebung Sightseeing-Ziele gibt, die sich für Tagesausflüge mit Auto, Bahn oder Bus eignen, verraten städtische, regionale, und touristische Internetportale, einschlägige Reiseführer, die im Buchhandel oder in öffentlichen Büchereien erhältlich sind, oder kostenlose Info-Broschüren, die ebenfalls dort ausliegen. Und wenn ganz spezielle Fragen und Wünsche anstehen: Die örtlichen Tourist Informationen geben auch Einheimischen gerne Auskunft.
Mit sinnvoller Freizeitbeschäftigung kann man Urlaub auf Balkonien genießen. (Foto: djd/Bosch)
Auf speziellen Internet-Plattformen finden Heimwerker Inspiration für den Urlaub zu Hause - zum Beispiel einen dekorativen Stauraum fürs Kinderzimmer (catharinahug.de). (Foto: djd/www.1-2-do.com)
Schlicht und Klartext - Warum Balkonien Balkonien heißt
(dtd). Der Papst hat einen – genauer gesagt: eine “Benediktionsloggia“ am Petersdom –, und dem letzten deutschen Kaiser war er zu Repräsentationszwecken ebenso unentbehrlich wie den Gekrönten und Staatsoberhäuptern von heute. Dennoch hat der Durchschnittsbürger all diesen VIPs, die – buchstäblich hoch über ihm stehend – von den so genannten Erscheinungsbalkonen repräsentativer Gebäude herab huldvoll die unten versammelte Menge grüßen oder segnen, Entscheidendes voraus: Er kann in Balkonien Urlaub machen. Oder auf Balkonien, auch so lässt es sich formulieren. Egal, ob “in“ oder “auf“, gemeint ist dasselbe: der Sommerurlaub zuhause. Schlicht und Klartext.
Seit einigen Jahren hat sich im Umgangsdeutsch dafür ein eigene Bezeichnung eingebürgert: das vermutlich aus dem Jugendslang übernommene Wort “Balkonien“. Kann sein, dass bei dieser Entwicklung auch der Überraschungserfolg des deutschen Streifens “Sommer vorm Balkon“ von 2006 eine gewisse Rolle spielte: Registrierten Sprach-Detektive 2005, also ein Jahr vor dem Film, auf bei Google noch rund 57.000 Treffer auf den Suchbegriff “Balkonien“, hat sich die Trefferzahl seither fast verdoppelt. Auf den Kinohit allein dürfte der Popularitätszuwachs nicht zurückgehen. Zumal nicht jeder, der in den Sommerferien zuhause bleibt, Kinofan ist beziehungsweise Balkon, Terrasse oder Garten hat. Trotzdem sprechen (fast) alle vom Urlaub in “Balkonien“ oder “Bad Meingarten“.
Eine mögliche Erklärung: So klingt’s einfach besser. Und gleich mehr nach richtigem Urlaub, sich selbst und den anderen gegenüber. Denn die Endung “-ien” erinnert nicht umsonst an das beliebte Reiseland Italien, während das vorangestellte “Bad“ sowie die substantivierende Zusammenziehung von “mein Garten“ in “Meingarten“ die heimische Grün-Oase quasi zum Kurort erhebt. Ein bisschen harmlose Hochstapelei, in Mutterwitz verpackt und mit einer Prise Selbstironie gewürzt. Doch schöner Schein hin, Ironie her: Möglich wurde eine Wortschöpfung wie “Balkonien“ letztlich erst durch Neuerungen im Wohnungsbau. Bis Anfang der 1950er Jahre waren Balkone an Wohnhäusern nämlich nicht nur seltener als heute, sondern meist auch kleinflächiger bemessen. Besonders eng war’s auf den an der Hausrückseite angebrachten, zum Wäschetrocknen und für Hausarbeiten gedachten “Wirtschaftsbalkonen“. Für diese galt bis Ende der 1930er Jahre die Vorschrift: Mindesttiefe ein Meter. Das bietet gerade mal Platz für einen Stuhl – aber nicht für häusliche Urlaubsparadiese samt Zier- und Nutzpflanzen, Sonnenschirm, Außenmöbeln und sonstigem Komfort.
01.08.2010 - Suchwörter:
Freizeit,
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